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Cryotherapie, Kältekammer
Die Kraft der Kälte nutzen

Cool Bleiben
Die Kälte wieder als „Freund“ betrachten

Wie die meisten Menschen verbinde auch ich Kälte mit Frieren, Erfrieren, Überwindung, Nordpol, Eisbären, Pinguine und vor allem mit Leiden und Verzicht. Kälte und Temperaturen unter 18 °C sind definitiv nicht meine Freunde. Erst signalisieren mir die Finger, die Nase und auch die Fußzehe relativ schnell und deutlich, diese Umgebung ist nichts für dich. Aber ist es so? Ist die Kälte schlecht für unseren Körper? Oder kann die Kälte mehr für uns tun? Wie z.B. Genesung und schneller Regeneration.

Cryopoint Karlsruhe
Anja Rapp & Lucie Luft

Und so starte ich meine Reise mit Biohacking bzw. meiner Potenzialentwicklung mit dem ersten Selbsttest: Cryokammer bei -110 °C für 3 Minuten.

Kälteexposition in der Natur

Kälte spielte und spielt immer noch in der Entwicklungsgeschichte eine wichtige Rolle. Mensch, Tiere und auch Pflanzen passen sich an. Warmblütige Tiere haben Methoden entwickelt, mehr Energie aufzubringen, um ihre Körpertemperatur zu erhalten und die Funktionalität lebenswichtiger Körperstrukturen zu gewährleisten. Andere bilden als Schutz vor der Kälte ein dichtes Fell oder gehen in einen Winterschlaf und fahren ihren Metabolismus herunter.

Laubbäume stoßen ihre Blätter ab. Nadelbäume machen das Gegenteil und behalten ihre Nadeln als Frostschutzmittel. Es gibt in der Natur unzählige Beispiele für Kälte-Adaptationen. Auch der menschliche Organismus verfügt über die physiologischen Anpassungsmöglichkeiten, wie z.B. Fettpolster des Körpers, Gänsehaut (früher als der Mensch noch ein Fell hatte) – durch das Aufstellen der Haare wurde die Körperwärme festgehalten, Zittern, erhöhte Muskelaktivität und Vasokonstriktion (die Hautgefäße ziehen sich zusammen und Blut wird vermehrt ins Körperinnere geleitet). Für die Anpassungen spielt unser Gehirn, konkret der Bereich des Hypothalamus, eine wichtige Rolle. Dort befindet sich unser Temperaturzentrum. Über die Kälterezeptoren in der Haut werden die Temperaturreize und Informationen über das Licht zum Hypothalamus kommuniziert. Daraufhin reguliert der Hypothalamus mithilfe der Hypophyse alle hormonellen Regelkreise.

Wohlfühltemperatur
Quelle: BuzzFeed Deutschland https://www.facebook.com/BuzzFeedDeutschland/photos/
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Ab wann die Menschen frieren, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Es besteht ein Unterschied zwischen Frau und Mann, zwischen Dicken und Dünnen, zwischen Jüngeren und Älteren, zwischen Europäern und Inuiten in der Arktis. Der Unterschied zwischen Frau und Mann hat zunächst einfache anatomische Gründe: Männer haben den Vorteil von mehr Muskelmasse, die schon im Ruhezustand Wärme erzeugt. Frauen dagegen sind durch eine dickere Fettschicht besser isoliert und haben im Durchschnitt ein günstigeres Verhältnis zwischen Körpervolumen und -oberfläche. Zusammengefasst frieren kleine dicke Menschen weniger als große schlanke. Letztendlich haben Form und Fett allerdings weniger Einfluss als die wärmenden Muskeln.

Die gute Nachricht: unser Temperaturkomfortbereich lässt sich trainieren! Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass unsere Rezeptoren verdammt empfindlich sind. Die Facts:
– Für Kälte haben wir ca. 30.000 Sensoren und für Wärme nur 3.000 in der Hautoberfläche
– Der menschlichen Körper verträgt maximal einen Anstieg von fünf Grad. Ab 42 Grad wird es für die Eiweiße im Blut ungemütlich und sie gerinnen
– Ab 34 Grad Körpertemperatur verlieren wir die Sprache
– Mit der Kälte kommt unser Organismus besser klar. Sogar bei einer Körperkerntemperatur von 20 Grad ist Überleben möglich.

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Wenn sich also die Kerntemperatur zu weit vom optimalen Temperaturwert entfernt, frieren oder schwitzen wir. Meist beträgt dieser Komfortbereich weniger als ein Grad. Sobald die Kerntemperatur den Sollwert von 37 Grad um einen halben Grad unterschreitet, frieren wir. Für den „37 Grad Komfort“ bezahlen wir einen sehr hohen Preis – unsere Energie.

Wie Kälte auf den Organismus wirkt

Die meisten von uns fühlen sich in der Komfortzone zwischen 20 und 27 °C am wohlsten. Und das im Sommer als auch im Winter. Unser Stoffwechsel erwartet immer noch den kalten Winter, damit er wichtige zelluläre Abläufe durchführen kann. Was passiert, wenn unser Körper in der kuschelig warmen Komfortzone dauerhaft bleibt?
• Ohne Kälte wird das weiße Speicherfettgewebe nicht in wärmeerzeugendes braunes Fettgewebe umgewandelt
• Die Aktivität des brauen Fettgewebes sinkt und damit kann es zu einer Gewichtszunahme kommen
• Die Insulinsensitivität verbessert sich nicht, der Blutzuckerspiegel geht hoch. Gefahr für Diabetes und metabolischen Syndrom

Cryopoint Karlsruhe
Cryopoint Karlsruhe

In der Kälte wird dagegen Sarcolipin (Membranprotein) produziert, das ebenfalls durch die Fettverbrennung Körperwärme produziert. Unser Hormonhaushalt steigt und wird optimiert. Die Schlafqualität verbessert sich durch die Melatoninausschüttug. Das Immunsystem wird aktiviert und die Entzündungen im Körper reduziert. Die Fitness und sportliche Leistungsfähigkeit steigen, indem die Regeneration verbessert wird.

Für viele Menschen ist es neu, dass die Kälte wie Fasten wirkt. Die Autophagie wird angekurbelt. Dabei könnte man Autophagie als „Recycling der menschlichen Zellen“ übersetzen. Die defekten Zellen werden repariert und aussortiert.

Und Kälte kann definitiv noch mehr:
– Laut einiger Studien kann Kälte die Lebensdauer um einige Jahren verlängern
– die kardiovaskuläre Gesundheit unterstützen
– Besserer Schutz gegen oxidativen Stress bieten
– Verbesserung der Muskulären Kapazität

Bin ich für das Kältetraining bereit?

„Brain Freeze“ Test

Brain Freeze Test

Bin ich für das Kältetraining bereit? Durch einen einfachen Test kann man das gut testen. Trinke ein Glas Wasser mit Eiswürfel. Wenn Du das ohne Probleme kannst, hat dein Körper mit der Kälte weniger Probleme und kann sich gut anpassen bzw. die durch die Kälte induzierte Wärme schnell bilden. Wenn Du dagegen ein Stechen im Kopf verspürst, solltest Du zuerst den überschüssigen Omega-6-Fettsäuren in Deinem Gewebe reduzieren und Deinen Spiegel in Omega-3-Fettsäuren anheben. Und warum ist es so? Die Omega-3-Fettsäuren verleihen Deinen Zellmembranen die in der Kälte nötige Flexibilität!

Ab in die Cryobox

Für den möglichen Start mit dem Kältetraining gibt es unzählige Möglichkeiten. Die alle zu beschreiben, würde hier den Rahmen sprengen. Ich werde einige der Methoden fleißig weiter selbsttesten und über die Pro- & Kontra-Argumente schreiben. In dem heutigen Beitrag geht es um die Kältekammer. Oder auch als Cryotherapie bekannt.

Nachdem ich die ersten Versuche mit Kältebädern gemacht habe, ist die nächste Stufe angesagt – Kältekammer mit -110 °C für 3 Minuten bei Cryopoint Karlsruhe. Ich erhoffe mir von dem ersten Training keine Wunder, aber möchte mit dem regelmäßigen Cryotraining meine Regeneration und mein Immunsystem verbessern.

Cryopoint Karlsruhe

Für den Besuch sollte man mitbringen:

• Badebekleidung (trocken und ohne metallische Accessoires), vorzugsweise Bikini, enganliegende Shorts oder kurze Sportbekleidung
• Mütze oder Stirnband
– eventuell bekommt man von dem Anbieter. Aber eigenes Equipment ist grundsätzlich immer hygienischer
– Die Kopfbedeckung ist wichtig, da wir ca. 30 % unserer Wärme über den Kopf abgeben
• Handschuhe (eventuell bekommt man diese vom Anbieter) und dicke Socken – Unsere Hände und Füße verlieren schnell an Körperwärme
• Eigene Pantoffeln
• Mundschutz
– Atemwege zu schützen

Worauf sollte man vor dem Besuch achten:

• keine intensiven sportlichen Aktivitäten bis 30 min. vorher
• kein Alkohol oder üppiges Essen davor
• keine größeren Hautverletzungen, falls möglich keine Haarentfernung am Tag der Anwendung
• wenig oder kein Make-up, Kosmetik oder Hautcreme
• wichtig für Diabetiker: keine Anwendung auf nüchternen Magen

Den Probetermin kann man schnell und unproblematisch über die eigene Website buchen. Direkt in der Crybox findet ein Eingangsgespräch statt und man muss einen, für mein Empfingen „bescheidenen Gesundheitsfragebogen“, ausfüllen. Eine A4 Seite mit ein paar Standardfragen. Für mich waren vor allem zwei Fragen sehr interessant:
1) „Sind Sie nüchtern?“
2) „Haben Sie Raynaud-Syndrom?“ (verschiedene Durchblutungsstörungen.Oft auch als Weißfingerkrankheit oder Leichenfinger genannt)
Kurz überlegt, mache ich bei beiden Fragen ein Nein, auch wenn meine letzte Mahlzeit ca. 1,5 Stude zurückliegt. Warum ist es so wichtig, dass man vor dem Kältetraining nicht nüchtern ist? Auf die Frage bekomme ich von der Mitarbeiterin eine kurze, aber nicht gerade ausführliche Antwort: „Wegen Kreislauf“. Ein gesunder Kreislauf ist stets eine notwendige Voraussetzung für jedes Training. Und da ist das Kältetraining keine Ausnahme. Und gerade hier sehe ich persönlich ein großes Verbesserungspotenzial auf der Anbieterseite: Vor jedem Besuch den Blutdruck messen. Viele Kunden und Besucher glauben meist, dass deren Blutdruck in Ordnung ist. Aber sie wissen es nicht! Kälte kann für Menschen mit Bluthochdruck lebensgefährlich sein.

Eisbox Karlsruhe

Direkt vor der Anwendung auf Folgendes achten:
• Schmuck, Armbanduhr, Brille und Hörgerät ablegen (Kontaktlinsen sind kein Problem)
• Piercings abkleben
• Haut und Haare müssen trocken sein
• Schutz der Extremitäten: Mütze/Stirnband, Socken und Schuhe anziehen


Ich freue mich auf die neue Erfahrung und habe Respekt vor der Kälte. Schließlich gehe ich nicht jeden Tag in -110°C. Die Mitarbeiterin der Box erklärte mir noch ganz genau, wie ich optimal stehen sollte und was für Entspannung sorgt, z.B. Musik und tanzen. Die Mitarbeiterin ist die ganze Zeit anwesend und gibt mir über das Mikrofon kurze Infos über die verbleibende Zeit.

Der Aufenthalt in der Kältekammer fühlte sich weniger unangenehm an als gedacht. Der Grund dafür ist die geringe Luftfeuchtigkeit, die eine schnelle Auskühlung verhindert. Im Unterschied zu einem Eisbad kommt diese kurzzeitige Abkühlung der Hautoberfläche bis zum Gefrierpunkt einer tatsächlichen Erfrierung nicht gleich. Die Hautsensoren vermitteln nämlich dem Gehirn nur den Eindruck, dass eine solche Erfrierung bevorsteht. Was noch erstaunlicher ist, dass die Hauttemperatur nicht unter 5°C sinkt, da der Körper dies nicht zulässt. Dagegen im Eisbad kühlt der Körper langsamer tatsächlich ab.

Cryopoint Karlsruhe

Ich nutze den Tipp der Mitarbeiterin und fing in der Box an zu tanzen. Die Bewegung hilft mir, entspannt und konzentriert zu bleiben.

Nachdem ich die Cryokammer verlasse, verspüre ich einen schnellen, undefinierten Reiz Richtung Kopf. Ich kann die Reaktion nicht eindeutig einordnen, da sie aber innerhalb von Sekunden wieder verschwindet, mache ich mir keine Gedanken. In der normalen temperierten Umgebung erweitern sich die peripheren Gefäße wieder, um vom Gefrierpunkt schnell wieder auf normale Körpertemperatur zu kommen. Der verbesserte Stoffwechsel sollte ca. 6- 8 Stunden halten und hat vielfältige positive Auswirkungen auf die Zellerneuerung der subkutanen Schichten. Ich fühle mich nach dem ersten Kältekick gut, erholt und freue mich auf die nächsten Sessions.

Migräne, Raynaud-Syndrom und Cryo

Nach 30 Minuten verändert sich die Situation. Komisches Gefühl, irgendetwas stimmt nicht. Dann bekomme ich Sehstörungen. Die Migräne Patienten wissen über was ich spreche – Aura. Zeitweise bin ich blind, wie ein Maulwurf, habe einen extremen Hunger und bin sehr müde. Ich muss sofort meine Notfallmedikamente einnehmen, damit die Migräne nicht mit voller Wucht zuschlägt. 1,5 Tage brauche ich bis sich mein Körper wieder regeneriert.

Cryobox_KA

Ich schreibe über meine persönlichen Erfahrungen, damit ich verdeutlichen kann, dass wir alle Individuen sind. D.h. es sollten keine pauschalen Aussagen in Bezug auf Training, Sport, Essen, Regeneration, Wirkung von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmittel usw. verbreitet werden. Es wird manchmal damit beworben, dass Kryotherapie gegen Migräne hilft. Bei mir hat sie das Gegenteil bewirkt. Es heißt aber nicht, dass Cryo für Migräne Patienten schlecht ist. Wie man weiß, die Summe der raschen, extremen Veränderungen, die Botenstoffe des Gehirns (Neurotransmitter), vor allem Serotonin und Histaminintoleranz ist der eigentliche Migräne-Auslöser-Mix. Ich habe über das Thema Migräne und Cryo weitergeforscht. Leider keine brauchbaren Berichte gefunden. Was allerdings in diesem Zusammenhang interessant ist, 61 % der Menschen mit einem Raynaud-Syndrom leiden auch gleichzeitig an Migräne. Beim Raynaud-Syndrom (anfallsartige Minderdurchblutung) ist Cryotherapie definit nicht geeignet.

Cool Bleiben

Cool Bleiben

Ich bin mir sicher, dass Kälte auch für mich weiterhin interessant sein kann, aber nicht in der Form von der Cryobox oder Kältekammer. Ich werde den Winter für mehr Läufe im Freien nutzen, Heizung im Auto auslassen und die Temperatur beim Duschen ein bisschen nach unten regulieren (passt ja zum Energiesparen). Potenzialentwicklung/Biohacking ist eine gute Ressource zur Verbesserung von Wohlbefinden, Performance und Recovery. Meine persönliche Erfahrung.

GET STRONG, BE STRONG, STAY STRONG und BE STRONG CURIOUS AND WILLING TO EXPERIMENT.

Ich freue mich über Eure Cryo- und Kälteerfahrungen.

Eure Lucie