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"YOU NEED TO BE IN IT FOR YOURSELF."

Jungle Ultra 2018 – Testen, trainieren und zählen
Teil II

Wie trainiert man überhaupt für so einen Etappenlauf oder Ultralauf?

Eine gute Frage. Es gibt mittlerweile unzählige Bücher, die viele Trainingspläne und gute Ratschläge beinhalten. Mein Tipp:

„Nicht nur unzählige km sammeln, sondern vielseitig trainieren. Auch die schnelleren Einheiten, Intervalle, Bergläufe, Plyometrisches Training, Krafttraining und Faszientraining sollten in deiner Vorbereitung nicht fehlen.“

Deine Mentale Stärke ist bei Ultras entscheidend, aber ohne ein gutes Training kommst du nicht weit. Dann kannst du im Kopf so stark wie du willst, deine körperlichen Schwächen werden dich besiegen.

Empfehlungen, Ratschläge, vorgefertigte Trainingspläne – bei dem Einen funktioniert das hervorragend, bei dem Anderen gar nicht. Aber kein einziges Buch kann deine persönlichen Erfahrungen ersetzen. D. h. du musst laufen, trainieren, testen, ausprobieren, beobachten und fühlen. Und genau beim Ausprobieren, Beobachten und Fühlen sehe ich in der Praxis als Personal Trainerin die meisten Probleme.

Ausprobieren

Neue Sachen auszuprobieren ist auch mit Scheitern verbunden. Wir wollten nicht scheitern, d. h. wir machen nur Sachen die wir gut können, die wir gut beherrschen und wo wir uns nicht blamieren können. In der Komfortzone fühlen wir uns sicher und stark. Einige typische Beispiele, wir laufen lieber die gewohnte 10 km Strecke um unseren Haus, bevor wir uns entscheidend für eine unbekannte Strecke.

Oder lieber posten wir einen Garmin/Polar Bild mit 35 km in einem „Wohlfühl – Tempo“ statt einen Bild mit „nur“ 5 km im Wettkampftempo. Wir sind schließlich Ultraläufer und brauchen viele Km, die Geschwindigkeit ist bei uns nicht so wichtig. Und ob!

Oder schon darüber nachgedacht einen Laufverein in deiner Nähe zu besuchen und dort zu trainieren? Das würde ich auf jeden Fall auch den langjährigen Läufern empfehlen. Für eine ganze Reihe von Ultraläufer ist eine gute und ausgereifte Lauftechnik nämlich überhaupt nicht wichtig. Durch gesammelte Km und gesammelte Erfahrungen glauben die, sich in eine „all Wissensliga“ zu katapultieren. Denen Schwächen sind ihnen oft nicht mehr bewusst. Wir werden aber erst durch die Verbesserung unserer Schwächen stärker!

Das gleiche gilt auch für manche Trainierende im Fitnessstudio. Wobei der Begriff „Trainierende“ in vielen Fällen übertrieben ist. Über 80 % aller Besucher sitzen an einem Gerät. Unauffällig, versteckt vor den Blicken eines Trainers und auch hier mit Wohlfühl Gewichten. So kann nichts schiefgehen, meine Schwächen bleiben schön versteckt (z.B. eine Stunde ohne Gerät mit eigenem Körpergewicht zu trainieren für manche schlicht und einfach unmöglich). Noch Fragen, warum sich deine Rückenschmerzen nicht verbessern? Oder dein Übergewicht bleibt?

Beobachten und fühlen

Statt uns auf unser Empfinden, auf unseren Körper und seine Bedürfnisse zu konzentrieren, kontrollieren wir ständig unseren Trainingspuls, Ruhepuls, Herzvariabilität, Watt, Distanz und andere messbare Paramater. Nach dem Motto, was messbar ist, kann ich verbessern. Auch ich gehöre in die Kategorie „Auswertung Freak“ und nutze die Daten für eine bessere Trainingssteuerung, keine Frage.

Aber wie fühle ich mich beim Laufen überhaupt? Geistig? Körperlich? Habe ich diese innere Ruhe, wenn ich alleine laufen gehen? Oder kommt, wie die Buddhisten sagen, der Affengeist raus. Wie fühle ich mich mit einem leeren Magen, wie fühle mich mit einem vollen Magen?

Was ist dein Warum, um einen Ultra zu laufen?

Ultra ist für mich nicht die Bestätigung des eigenen Egos. Ultra ist über das Kennenlernen des eigenen Körpers aus der Sicht aller denkbaren Seiten. Ultra ist die Kunst des Laufens in seiner höchsten Form.

Ich laufe wann ich kann, wo ich kann. Es ist überhaupt nicht einfach alles irgendwie zu koordinieren – Familie, 3-jähriger Sohn, Vollzeitjob, Selbständigkeit als Personal Trainerin. Aber auch hier gilt für mich: Do. Or do not. There ist no try. (Mittlerweile auch mein Klingelton auf dem Handy).

Ich konzentriere mich sowohl auf Laufen als auch auf das Krafttraining – Gesäß, Oberschenkel Muskulatur, hintere Oberschenkelmuskulatur, Rücken und Bauch. Du kannst super schnell laufen, aber wenn du nach zwei Tagen Rückenschmerzen von deinem Rucksack bekommst, ist der Trip mehr oder weniger beendet.

Regel Nr. 1

(und damit meine ich nicht nur für Ultras, Etappenläufe, sondern auch manchmal für 10 km, Halbmarathons, Marathons)

„Sei ehrlich zu dir selbst!“

Du musst deine Stärken, aber vor allem auch deine persönlichen Schwächen kennen.

  • Laufe ich genug km?
  • Laufe ich genug hm?
  • Was für Terrain laufe ich?
  • Laufe ich ökonomisch? Oder habe ich irgendwo Lecks?
  • Neige ich zu Verletzungen? Und wenn ja warum?
  • Wie schnell kann ich mich regenerieren
  • Wie ist mein aktueller Gesundheitszustand
  • Wie ist mein aktuelles Gewicht?
  • Habe ich muskuläre Disbalancen?
  • Was sind überhaupt meine Ängste?
  • Welches Essen vertrage ich? Welches nicht?  Wie viel kcal, Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett benötige ich?Dieser Faktor ist oft entscheidet, ob du einen Wettkampf beendest oder nicht. Stichwort Magen-Darm-Beschwerden. Viele Athleten lernen während des Laufens zu essen, andere essen kaum und versuchten mit verschieden Power Gels über die Runden zu kommen.

Ich habe für mich persönliche Do & Don´t gefunden, die bei mir im Wettkampf gut funktionieren:

    • keine künstlichen Sportgels mit viel Fruktose
    • zum Trinken – nur Wasser mit Salz bzw. mit Elektrolyten, keine Säfte, Coca- Cola, Tee
    • regelmäßig Salztabletten nehmen
    • kein Obst wie Bananen, Äpfel, Orangen
    • Aminosäuren zu sich nehmen, wenn möglich über Wassermelone
    • für die Essensaufnahme immer genug Zeit einplanen – es lohnt sich!

Es ist nie einfach direkt der Wahrheit in die Augen zu blicken. Aber wenn du es nicht machst, zeigt dir die Realität mit aller Härte, wie die Wahrheit aussieht.

Immer wenn ich an meine persönlichen Grenzen komme, widerhole ich mir mein persönliches Mantra:„Du wirst härter sein, dann sei härter. Du weißt, dass du das kannst!“

Regel Nr. 2

Du bist für dich selbst verantwortlich und nur DU kannst dich motivieren.

Nur DU und niemand anderer. Auch wenn man oft eine hervorragende Organisation durch den Veranstalter hat, es wird immer etwas Unerwartetes passieren und dann musst du reagieren. Es wird eine Menge Leute geben, die an dich zweifeln werden, die dich versuchen runterzuziehen.

„You need to be in it for yourself.“

Regel Nr. 3

Und das gilt hauptsächlich für das ESSEN und die Bekleidung. In meinem Ultra Jungle Peru Fall auch für die Hängematte, den Schlafsack und den Rucksack.

„Nur was du getestet hast, darf mit!“

Die Hängematte

Die Vorstellung, geschützt vor den unterschiedlichsten Urwaldbewohner ganz gemütlich in der Hängematte zu ruhen, habe ich nach meinem ersten Versuch im Garten meiner Schwester zu übernachten, sehr schnell über Bord geworfen. Wie im fast jedem Projekt, traten auch beim „Projekt Händematte“ die typischen vier Phasen auf:

1. Begeisterung
2. Ernüchterung – Testübernachtungen
3. Panik
4. Hotelbuchung – Phase 4 bitte wieder streichen

Hängematten werden doch als ausgezeichnete Möglichkeiten für Entspannung und Übernachtung angeboten, habe ich mir gedacht. Für einige Völker verkörpert beispielsweise die Hängematte ein erholsames Lebensgefühl.

Jetzt ehrlich: Habt ihr eigentlich schon einmal in einer Hängematte übernachtet? Betonung auf Übernachtet! Nicht eine Stunde oder zwei Stunden gelegen!

Nach einer detaillierten Instruktion von Wolfgang fühle ich mich bereit für die ersten Versuche. Ohne seine Hilfe, würde ich vermutlich gleich die erste Nacht auf dem Boden landen.

Befestigung Hängematte
Befestigung Achterknoten

Meine Familie kann es immer noch nicht glauben, dass ich das ernst meine. Erst nach dem Auszug mit meiner Hängematte und Schlafsack in den Garten, sind die Gesichter irgendwie steifer. Ich gehe alle einzelnen Schritte für den korrekten Aufbau durch. Geeignete Lage – Abstand darf nicht zu klein, aber auch nicht zu groß.

Erst eine Seite mit dem geeigneten Achterknoten befestigen. Auf die Höhe achten – wenn man sich in die Hängematte hinsetzt, sollten die Füße noch auf Boden kommen.

Das Schutzdach mit Hilfe von zwei Heringe befestigen und anspannen. Fertig. Es hat alles prima geklappt und ich mache mir kaum Gedanken, ob mein Schutzdach 100 % richtig positioniert und angespannt ist (wie sich dann im Dschungel schnell als ein gravierender Fehler zeigt).

Ich kann mich in der Matte mit meinen 170 cm normal bewegen und alles justieren, wie ich es brauche. Die wichtigsten Sachen, wie Stirnlampe, Handy, Taschentücher, verstaue ich direkt in den zwei kleinen Innentaschen, die über meinen Kopf hängen.
Eine oder zwei Karabiner wären hier drin auch nicht verkehrt, denke ich mir.
Die Dunkelheit bricht ein. Ich bin zu aufgeregt und kann nicht einschlafen. Dazu ist alles irgendwie zu laut – die Straße, das Nachtleben im Garten. Und wieder erstaunlich wie die menschlichen Sinne funktionieren. Da ich nicht viel in der Dunkelheit sehen kann, höre ich fast jedes Insekt, welches da draußen krabbelt.
Ohropax (Ohrstöpsel) muss definit mit. Bei jeder lauteren Bewegung zucke ich zusammen. „Beherrsche dich, du liegst doch im Garten deiner Schwester und nicht alleine irgendwo im Wildnis,” ermahne ich mich.

Meine Nacht besteht aus viel Nachdenken, Minutenweise schlummern, erschrecken, Minutenweise schlummern, schnell auf die Toilette gehen, unendliche Minuten um meinen Schlagsack neu auszurichten, ständig eine gemütliche oder akzeptable Schlafposition zu suchen, Minutenweise schlummern. Bei den ersten Sonnenstrahlen bin ich froh mich aus der Hängematte zu befreien. Einen entspannten Schlaf stelle ich mir eindeutig anders vor.

Gesundheitscheck, Impfung

Für eine Teilnahme an manchen Ultramarathons/Multistage Ultra Läufen, benötigt man zwingend ein ärztliches Attest der gesundheitlichen Eignung.

Impfempfehlung

  • Tetanus
  • Diphtheries
  • Typhus bei mangelhaften hygienischen Verhältnissen
  • Hepatitis A.
  • Tollwut – unerlässlich für Trekkingreisen und bei Langzeitaufenthalten in ländlichen Gebieten
  • Gelbfieber – vorgeschrieben für Reisen östlich der Anden (Amazonasgebiet).

Nicht zu vergessen ist, dass Peru ein Malarialand ist. D. h. für Reisende besteht ein saisonales und regionales Infektionsrisiko. Aus diesem Grund empfiehlt sich die medikamentöse Prophylaxe mitzunehmen.
Die Regionen mit dem höchsten Malaria-Risiko sind Amazonas, Junin, San Martin und Loreto. Dagegen sind z.B. Lima, Cuzco und Machu Picchu Malariafrei.
Eine Expositionsprophylaxe (z.B. imprägniertes Moskitonetz und hochwirksamer Mückenschutz) sollte auf jeden Fall durchgeführt werden.

Eine lästige, aber ohne Zweifel sehr wichtige Maßnahme um die Teilnehmer zu schützen.

Mein letzter Hausarzt Dr. Braun, dem ich bis heute sehr dankbar bin, da er im richtigen Moment, die richtige Entscheidung getroffen hat (wenn er sich nicht mehr 100 % sicher war, hat er mich an einen Spezialisten des Uniklinikum Heidelberg weitergeleitet. Keine Experimente, keine Vermutungen). Herr Dr. Braun ist mittlerweile in Rente. Seitdem habe ich Gott sei Dank, keinen Hausarzt benötigt.In den Zeiten, in denen die Kranken kaum einen Termin beim Hausarzt bekommen, kommt der Ultraläufer und braucht eine Bescheinigung für sein Hobby – Wahnsinn. Ob das bei den Ärzten gut ankommt? Nach meiner Recherche im Internet habe ich mich schließlich für Herrn Dr. med. Lothar Dietz, in Remchingen-Nöttingen entschieden. Die Zeit wird langsam knapp.

Nicht nur, dass ich die unterschriebene Bescheinigung brauche, sondern auch alle möglichen und notwendigen Impfungen. Nach dem unproblematischen ersten allgemeinen Gesundheit-Check-up weihte ich Herrn Dr. Dietz in das Projekt Jungle Ultra ein. „Sie sind verrückt Frau Luft!“ Und das kommt ausgerechnet von einem Arzt, der den Kilimandscharo mit 5895 m Höhe bestiegen hat. Er nahm die Sache sehr ernst. Fast akribisch ernst. Er unterstützte mich mit allen notwendigen Impfungen. Die notwendige Unterschrift und der Stempel auf der Bescheinigung ließen auf sich warten. Auf der einer Seite verstehe ich ihn, er trägt die Verantwortung, wenn etwas medizinisch schief geht. Auf der anderen Seite drängte die Zeit und letztendlich gehe ich auf eigene Gefahr in den Jungle. Herr Dr. Dietz studierte meine Gesundheitsakte bis ins letzte Detail. Seine Begeisterung für meine Teilnahme hielt sich in Grenzen. Sogar im Gegenteil. „Die Höhenmeter, die Krankheiten, die Luftfeuchtigkeit, die Belastung und dann noch Ihre Vorgeschichte…“ Seine Liste, warum ich an dem Jungle Ultra nicht teilnehmen sollte, war lang.

Mein Projekt Jungle Ultra drohte zu scheitern. Das kann doch nicht sein, einmal krank und dann für den Rest des Lebens als eine zerbrechliche, kranke Person abgestempelt zu werden? Unser Gesundheitssystem ist leider nicht immer für die Gesundheitswilligen gedacht. Ich habe in den letzten zwei Jahren die beste Form meines Lebens. Kaum krank, kaum Verletzungen, kann laufen was und wo ich will, ich fühle mich grandios.

Nach den Blutuntersuchungen frage ich ganz neugierig und siegessicher nach den Ergebnissen. „Sie sind für Europa top fit“. Was für eine herrliche Betonung – für Europa! Ich mag den Humor von Dr. Dietz und ich glaube, er hat nicht ohne Grund auf seinem Arbeitstisch das Buch „Schwarzer Humor“. Punkt für mich. 1:0